Leben und Werk

Ernst von Wyl (1930 – 2011) war zeitlebens fasziniert vom Stein. Als Sohn eines Steinbildhauers in Hergiswil geboren, bestimmte das Material sein Leben von Kindheit an. In dritter Generation wählten er und sein Zwillingsbruder den Beruf des Vaters und Grossvaters. Der Lehre im väterlichen Atelier schloss er eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Luzern (heute HSLU) an. In guter Erinnerung blieb ihm der Unterricht bei Max von Moos. Danach war er Meisterschüler bei Prof. Dr. Anton Woger an der Steinmetzfachschule Mayen in Deutschland. Es folgten erste Berufsjahre in Genf und in der liechtensteinischen Bildhauerei Gottfried Hilti. 1959 konnte er das väterliche Atelier in Hergiswil am See übernehmen.

Ernst von Wyl erneuerte zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn die Grabmalkunst der 60- und 70er Jahre, indem er personenbezogene und handwerklich herausragende Grabmale schuf, für die ihn der Verband Schweizer Bildhauer und Steinmetze VSBS mehrfach auszeichnete. Als Meister der Bildhauerei vermittelte er das Können seinen Lernenden. Nach einigen Jahren zog es ihn jedoch mehr und mehr hin zur freien Kunst. Es folgten Aufträge und Ausstellungen im öffentlichen Raum. Ernst von Wyl entwickelte seinen eigenen Stil und schuf bedeutende Werke in Stein. Besonders gerne bearbeitete er den weissen Christallina-Marmor aus Peccia, aber noch mehr faszinierte ihn die Entwicklung von Figuren aus Fundsteinen. Eine weitere Ausdrucksform fand er im Material Bronze und Aluminium. Die mit Wachs oder Lehm geformten Plastiken wurden bei der Perseo SA Mendrisio gegossen, wo er oft Künstlerfreunde, wie Rolf Brem oder Franco Annoni antraf. Wegleitend war für ihn das Werk des englischen Plastikers Henry Moore. Ernst von Wyl organisierte auch Künstlerwochen, in denen zusammen modelliert und ein intensiver Austausch über Werke von Fritz Wotruba, Marino Marini, Max Bill und anderen berühmten Plastikern gepflegt wurde.

Das passende Material für seine Steinskulpturen suchte und fand der Künstler meist in der Schweiz, in Frankreich und Italien. Gezielt entdeckte er Steine in bekannten Steinbrüchen. Aber auch unverhofft wurde er am Wegrand oder im Bachbett fündig. Diese Fundstücke bearbeitete er intuitiv, überzeugt davon, dass er ihre Form und ihr Thema erschliessen konnte. So sah er häufig im Charakter des Steins eine inhärente Gestalt. Dieser Spur folgend, zeichnete er ein paar Hilfslinien direkt auf den Rohling. So offenbarte sich ihm, gekoppelt an seine Vorstellung, die Idee durch Maserung, Farbe und Beschaffenheit des Materials. Die erste Arbeit am Stein beschränkte sich auf ein paar gezielte Eingriffe. Danach folgte die fragende Betrachtung in Abwechslung mit der Feinbearbeitung bis hin zur abschliessenden Formgebung. Berührend überprüfte er in diesem Prozess Erhebungen und Einbuchtungen des Steinmaterials; manchmal schien es, als würde er die Werke nicht mit Werkzeugen, sondern mit seinen Händen formen.

Die Kunsthistorikerin Maria Becker hat Ernst von Wyls Skulpturen treffend eingeordnet und charakterisiert: 

“Damit steht seine Kunst in einer Tradition, die bis in die Vorgeschichte zurückreicht und ebenso in der klassischen Moderne verankert ist. Die natürliche Steingestalt bestimmt die Form seiner Figuren und gibt ihnen die archaische Kraft ihres Ausdrucks. Und auch das wichtigste Motiv seines Werks gehört zu den Menschheitsthemen, die bis heute gültig sind: die Frauenfigur. Mit ihr hat Ernst von Wyl etwas geschaffen, das über den Ort seiner Herkunft weit hinausreicht. Seine Frauenskulpturen sind Kultfiguren eines persönlichen Universums, in dem sich die Verehrung der Fruchtbarkeit mit der Schönheit der Form vereint.

Ernst von Wyls Skulpturen zeigen keine Kraftakte oder grosse Gebärden. Ihre Gesten sind vielmehr zart, ihr Ausdruck intim. Sie verkörpern ein gelassenes In-sich-Ruhen, das sich dem Betrachtenden durch die sanfte Geschlossenheit der Form mitteilt. Die Figuren haben kompakte Glieder und fliessende Rundungen. Liebespaare, Mütter und Kinder oder Zwillingsfiguren verschmelzen zu einer Einheit; Haare und Gewänder bilden mit der Figur ein Ganzes. Eher klein sind die meisten Skulpturen. Die Monumentalität einer Skulptur resultiert nicht aus ihrer messbaren Grösse, sondern aus der Kraft der Form.”

(Becker Maria, Auszüge aus dem Ausstellungskatalog „Ernst von Wyl“, 2010).

Der Künstler Ernst von Wyl, der bei der Arbeit an einer Plastik im Garten gezeigt wird.

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Auszeichnungen

  • 1952 - 1. Preis, Kunst am Bau für die Landesbank Mayen im Reinland, Deutschland. (Studierenden-Wettbewerb). Erster öffentlicher Auftrag.

  • 1967 – 1999 Auszeichnungen “Qualitätszeichen für besondere Leistungen des VSBS” (Verband Schweizer Bildhauer und Steinmetze), publiziert in “Kunst und Stein”.

  • 1972 - 1. Preis, Wettbewerb für die künstlerische Gestaltung von Wandelementen an der neuen Berufsschule in Sarnen. Thema: Kritik. Ausführung September 1972.

  • 1974 - 1. Preis, Wettbewerb für die Chorgestaltung in der Kappelle des Alters- und Pflegeheim in Stans. Altar, Tabernakel, Ambo, Kreuz und Hocker. Ausführung 1975.

  • 1976 - 1. Preis, Wettbewerb für ein Gemeinschaftsgrabmal, Friedhofanlage in Gerliswil-Emmen. Ausführung 1977.

  • 1979 - 1. Preis, Wettbewerb für Kunst am Bau, Bahnhofneubau in Horw.

  • 1979 - 1. Preis, Wettbewerb für einen künstlerischen Schmuck auf dem Friedhof Altdorf. Ausführung 1980.

  • 1996 - 1. Preis, Gestaltung eines Kreuzwegs in der Pfarrkirche Interlaken. Vierzehn Reliefs für Stationen. Ausführung 1998.

Lernende

  • 1973 - 1977 Pernoux Daniel, Luzern

  • 1969 - 1973 Sigrist Richard, Netstal

  • 1979 - 1983 Grönquist Rolf, Zug

  • 1980 - 1984 von Wyl Phillippe, Hergiswil

  • 1985 - 1988 von Wyl Beat, Hergiswil

  • 1987 - 1991 Irma Bucher, Luzern

  • 1989 - 1993 Judith Pillonel, Estavayer-le-Lac

  • 1993 - 1994 Niffeler Karin, Horw

  • 1992 - 1996 Kappeler Ursula, Zimmerwald

Publikationen

  • 2010. Steinskulpturen - Ernst von Wyl, Ausstellungskatalog zur Retrospektive zum 80. Geburtstag.

  • 2000. Steinseele - Einblicke in das Werk von Bildhauer Ernst von Wyl zum 70. Geburtstag, Video von Hans Eggermann, Luzern.

  • 1990. Frauenskulpturen - Werkeinblick zum 60. Geburtstag.

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